Kabale und Liebe

Plakat "Kabale und Liebe"

Zwar die Gewalt des Präsidenten ist groß, sagt Ferdinant in jener, wo er die Musikerfamilie gegen den übergriff des Präsidenten zu schätzen sucht, doch aufs äußerste treibt es nur die Liebe (I, 793). Schillers Stück bringt ein grausames Experiment mit der Liebe zu Darstellung: es soll herausgefunden werden, wie weit man es mit ihr treiben kann und in welche inneren (und nicht nur äußeren) Widersprüche sie dabei gerät. Sind es nur die äußeren Widerstände und Hemmnisse, die ihr zu schaffen machen, oder ist sie nicht auch durch sich selbst, durch ihren Absolutheitsanspruch, gefährdet - das ist die leitende Frage bei der Aufdeckung der Anatomie einer Leidenschaft. Schiller hat den diesem Stück seine Liebesphilosophie auf den Prüfstand gestellt. Macht und Ohnmacht der Liebe ist das eigentlich Thema, Die Frage ist nicht nur, ob eine korrupte Welt die Liebe zerstören kann, sondern auch, ob nicht die Liebe selbst beiträgt zu Korruption der Welt, indem sie ein ausschließliches Eigentum am Anderen fordert.

Frei und souverän ist in diesem Stück keine Figur. Die Welt von” Kabale und Liebe “ gleicht einer sozialen Maschine, wo die Leidenschaft und Gesinnung wie Rädchen ineinander greifen und einen gesellschaftlichen Schicksalsmechanismus in Gang setzen, der zu Ergebnissen führt, die so von keinem beabsichtigt wurden. Schiller bringt einen sozialen Prozess auf die Bühne, in dem die Akteure wirken, aber keiner von ihnen vermag das Ganze international zu steuern.

(R. Safranski; Schiller oder die Erfindung des Deutschen Idealismus)