Frühlings Erwachen oder Das Kind sollte brav sein
Das Drama von Frank Wedekind, 1891 geschrieben, ist untertitelt als " Eine Kindertragödie ". Die behandelten Themen sind heute, in unserer enttabuisierten Zeit kein Thema mehr in unserer Gesellschaft. Aufklärung, Schulstress, Homosexualität, Selbstbefriedigung, Sohn - Vater - Beziehung sind anscheinend ausdiskutiert, erklärt, analysiert und somit ‚verarbeitet.
Die Zeit zeigt allerdings, dass die Themen zwar benannt, sich aber der Umgang damit um so schwieriger gestaltet. Die einzelnen Rollen, von Kindern und Jugendlichen des TJC altersgerecht gestaltet, spannen einen mentalen analytischen Bogen um die einzelnen Problemfelder.
Die Proben haben gezeigt, dass genau dies der Zündstoff der ‚Kindertragödie‘ ist. Sind die Vorgänge zwar klar und nachvollziehbar, so steht das Bewusstsein des Handelns noch im Hintergrund. Die Suche nach der Wahrheit gestaltete sich 1891 als sehr schwierig, da gesellschaftliche Konventionen einen Tabubruch weder duldeten noch zuließen. Im Jahr 2007 steht der Wahrheitsfindung ein Überangebot an Möglichkeiten im Wege.
Was ist wichtig? Wie soll man sich entscheiden? Darf man einen Fehler bei seiner Entscheidung riskieren?
Das Stück kulminiert zum Schluss in der Friedhofsszene. Dem entflohenen Melchior begegnen auf dem Friedhof der " tote " Moritz (Selbstmord) und der "vermummte Herr", Synonym für "Leben". Schließlich entscheidet sich Melchior für das "Leben", ohne zu wissen, was ihn erwarten wird. Er begibt sich auf die Suche nach Wahrheit, nach einer Moralbestimmung, mit welcher er, der den Tod Wendlas auf dem Gewissen hat, irgendwie klar kommen kann. Was hat sich also seit der Uraufführung 1906 verändert?