Kunst und Musik im 1. Weltkrieg

Plakat "Kunst und Musik im 1. Weltkrieg"

Wenn die Waffen reden, schweigen die Musen

Krieg ist Krieg? Und Feind ist Feind? Wenn die Waffen reden schweigen die Musen? So sagt man, ja, doch auf den Bühnen der deutschen Reichshauptstadt feiert in den Tagen des Weltkriegsbeginns um 1914 ein Singspiel Erfolge, das alsbald schon, noch im Kriege, auch über die Grenzen in Feindesland hinaus dringt. Sein Titel: „Wie einst im Mai“, sein Komponist: Walter Kollo.

Noch 1917, die USA sind in den Weltkrieg eingetreten und haben Truppen nach Europa entsandt, überliefert uns die Geschichte mitten in diesem bis dahin furchtbarsten aller Kriege einen seltsamen Export, denn eben dieses Singspiel „Wie einst im Mai“ wird am New Yorker Broadway erfolgreich erstaufgeführt.

Eine Ausnahme, ein Zufall? Wohl kaum, denn auch aus Österreich ist auch noch ein anderer Operettenexport ins Land der Kriegsgegner bekannt, kommt ein noch bedeutenderer Erfolg ins Rampenlicht der Bühnen der Welt und wird in Moskau ebenso gefeiert wie in  New York: Emmerich Kalmans Operette „Die Csardasfürstin“, uraufgeführt in Wien 1915, beginnt ihren bis heute andauernden Siegeszug über die Operettenbühnen der Welt noch in den Kriegsjahren.

Nun wird man einwenden können, dass die Operette vielleicht nicht als Kunst zu werten sei und ihr Publikum in jenen Tagen doch nur aus Kriegsgewinnlern und Müssiggängern hat bestehen können, müsste sich dann aber auch mit dem Argument auseinander setzen, dass Krieg nicht nur Land und Leute und nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Vorstellungen von Kunst und Gesellschaft verheerend umwälzt. Das Massenphänomen der Unterhaltungskunst jedenfalls hat er befördert, vielleicht sogar erst wirklich über alle Grenzen hinweg begründet.

Die stille, die ernsthafte, die suchende, die erneuernde, die spröde, die schaffende Kunst der Individualisten verstummt im Kriege. Ingenieure und Techniker arbeiten im Kriege wohl mit Hochdruck an neuen Waffen, die meisten Künstler aber, auch wenn sie sich von der lauten Kriegsbegeisterung haben mitreißen lassen, verstummen und versteinern unter der Last der Eindrücke, die über sie hereinbrechen und die sie oft erst Jahre später zu verarbeiten, zu benennen und zu gestalten vermögen.

Auch unter ihnen ist der Blutzoll dieses Ersten Weltkriegs hoch. Maler wie Franz Marc, Dichter wie Georg Trakl, Musiker wie Rudi Stephan, allesamt Bannerträger ihrer Kunst in jenen Jahren des so hoffnungsvoll begonnen zwanzigsten Jahrhunderts, dazu die populären wie Hermann Löns, die Talente wie Gerrit Engelke oder Wilhelm Klemm, all das sind Namen nur aus unserem deutschen Kulturkreis, die dieser Krieg fast zum Vergessen bringt. Die gewiss eben so zahlreichen Namen von Jenseits der Fronten kennen wir gar nicht. Und so wissen wir auch so gut wie nichts von Wilfred Owen, dem jung gefallenen englischen Dichter.

Der eine oder andere, von Zeit zu Zeit dem Vergessen entrissen, lebt dann auf und wirkt dann weiter, solange Erinnerung dauert. Dazu soll beitragen, was heute Abend vorgetragen wird.

Wir legen Zeugnis ab von Künstlern, die mit diesem Krieg leben, in diesem Krieg sterben mussten und von Künstlern, deren Werk opponiert, die dem lauten Kriegsdonner zwar nicht mehr als ihre menschliche Stimme, einen menschlichen Gedanken, entgegen zu setzen haben. Das aber taten sie überzeugt und entschieden: Künstler also, die glauben, dass die Welt zu beeinflussen ist.

„Kunst“, sagt Arnold Schönberg, ein anderer Zeitgenosse des Ersten Weltkrieges, „ist der Notschrei jener, die an sich das Schicksal der Menschheit erleben. Die nicht mit ihm sich abfinden, sondern sich mit ihm auseinandersetzen. Die nicht stumpf den Motor „dunkle Mächte“ bedienen, sondern sich ins laufende stürzen, um die Konstruktion zu begreifen. De nicht die Augen abwenden, um sich vor Emotionen zu behüten, sondern sie aufreißen, um anzugehen, was angegangen werden muss. Die aber oft die Augen schließen, um wahrzunehmen, was die Sinne nicht vermitteln, um innen zu schauen, was nur scheinbar außen vorgeht. Und innen, in ihnen, ist die Bewegung der Welt; nach außen dringt nur der Widerhall: das Kunstwerk.“

K. E. Wichmann

Mitwirkende

Es singen:

  • Silke Dubilier
  • Virginia Weidlich
  • Hans-Arthur Falkenrath
  • Andreas Jören

mit

  • Markus Schuliers (Orgel)
  • Michael Stolle (Klavier)
  • Franziska Schüler (Glocken)

Es lesen:

  • Daniel Cornelius Mühlmann
  • Klaus-Edgar Wichmann

Programmzusammenstellung und Leitung:

  • Markus Schuliers